Festival für zeitgenössische Musik und Performance

Plakat des Festivals. Bild: Künstlerhof Frohnau

Am 01. Juli 2023 findet das Open-Air Festival „Walden: Memory Beach“ des Künstlerhofs Frohnau rund um den ehemaligen Grenzstreifen statt, zu dem Interessierte herzlich eingeladen sind.

Im nördlichsten Zipfel Berlins zieht sich eine helle Narbe über den Boden. Ein Sandstreifen, der den Frohnauer Wald entzweit, ca. 100m breit und 2km lang. Diese Sandnarbe an der Grenze von Berlin und Brandenburg hat wie jede Narbe ihre Geschichte. Es ist der ehemalige “Todesstreifen”, früher wie heute Niemandsland. Ein Ort, der nur wenigen bekannt ist, im Vorübergehen treffen sich hier vereinzelte Hundebesitzer, Jogger und Pilzsucher, oder Jugendliche, die im Sommer auf dem Sand Beachvolleyball spielen oder in Lockdown-Zeiten illegale Parties feierten. Diese Narbe ist emblematisch für die gesamte Gegend. Seit gut 100 Jahren ist dieser Wald ein Zufluchtsort für die Verletzten, Kranken und Ausgestoßenen der Stadt. Der angrenzende Künstlerhof Frohnau war als Militärhospital gebaut, später Nervenheilanstalt und Flüchtlingsheim. Die benachbarte Invalidensiedlung wurde in den 1920er für die Kriegsversehrten des 1. Weltkriegs errichtet. Und in der Donnersmark-Stiftung auf der anderen Seite des Waldes werden seit den 50er Jahren Menschen mit Behinderungen betreut.

Verstreut im Wald erinnern einzelne Mahnmale an die Schicksale jener, die hier versuchten, die deutsch-deutsche Grenze zu überqueren und dabei den Tod fanden. Dieser Ort ist voller Geister, die in Vergessenheit zu geraten drohen. Wenn ihre Geschichten nicht mehr erzählt werden, die Verbindung zu unserem Alltag verlieren, von neueren Informationsschichten aus unseren Köpfen verdrängt werden, finden wir nicht mehr zu ihnen, um von ihren Erfahrungen zu lernen. Vielmehr gilt es, den anwesenden Waldgeistern weitere an die Seite zu stellen, die anderen Orten, Ritualen und Geschichten zugehören und unser Bewusstsein für einander erweitern. Im Rahmen von “Walden” wird dieser vernarbte wie
vergessene Landstreifen für ein Wochenende zum Erfahrungs- und Begegnungsraum für Bewohner, Beteiligte und Besucherinnen. Und zur Bühne für eine Reihe von Performances und Gespräche, die sich der Geschichte(n) und möglichen Gegenwart(en) dieses versehrten Ortes mittels verschiedener Erzählungen, Führungen und Inszenierungen nähern. Und die Frage umkreisen: wie lässt sich das Bewusstsein für den verwundeten Raum, den wir teilen,
übertragen auf ein Gefühl von Gemeinschaft, das uns alle in unserer individuellen Verletzlichkeit und Erfahrungswelt einschließt?

Dazu werden Künstler*innen eingeladen, performative und diskursive Beiträge beizusteuern. Partizipative Performances wechseln sich ab mit intensiven Gesprächen, geführte Spaziergänge mit experimentellen Klängen im Wald. Flankiert werden diese durch eine performative Führung, die die einzelnen Elemente in poetische Verbindung setzt. Nach einem
Recherche- und Produktionszeitraum zwischen Mitte März und Ende Juni wird das Projekt am 1. Juli vor Publikum aufgeführt, das sich in die einzelnen Programmpunkte mit einbringen kann. Dafür wird die “Sandnarbe” als begehbarer Aufführungsort/Bühne/Erlebnisraum mit Lichtinstallationen und Bühnenelementen gestaltet.
Walden: Memory Beach wird unterstützt vom Berliner Projektfonds Urbane Praxis. Kuratorisches Team: Kaya Behkalam, Katja Hock, Otto Oscar Hernandez Ruiz, SHIN Hyo Jin

Katja Hock

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