Wir Kinder vom Lande

9783866142275b-1„Meine Welt war das Dorf“

Ein Bulle als Zugtier beim Pflügen, Eheringe im Klingelbeutel, eine Pfarrersfrau auf der „Schandbank“ in der Dorfkirche, Aufklärung unter der Dorfjugend 1957 und ein Schweinebad – das alles und noch viele andere kuriose, aber auch ernste Geschichten sind im neuen Buch des Zeitgut Verlages versammelt. Damit liegt jetzt ein weiterer Band mit Dorfgeschichten vor, in dem Menschen aus vielen Gegenden Deutschlands Erlebnisse aus ihrem Leben erzählen. In den Jahren zwischen 1916 bis 1976 gibt es auch auf dem Land eine Vielzahl technischer und gesellschaftlicher Veränderungen, vor denen selbst das kleinste Dorf nicht Halt machte.

Alfred Bilger erzählt von der bitteren Armut in seinem Heimatdorf im Oberwesterwald, die dennoch die neidlose Einigkeit der Dorfgemeinschaft nicht stören konnte. Und vom schweren Leben seiner Mutter, der Magd Babette, berichtet Karl Satzinger, der 1929 als uneheliches Kind eines Großbauern geboren wurde. Streng, hierarchisch und hart muten uns heute die damaligen Verhältnisse auf dem Lande an.

Doch der Band enthält auch zahlreiche liebevolle Erinnerungen an eine Kindheit, die zwar einfach war, jedoch als glücklich und geborgen im Gedächtnis bewahrt wurde. Renate Guhl bleibt deshalb auch ein Leben lang „im Herzen verbunden mit Tillendorf“, ihrem niederschlesischen Heimatort, ebenso wie Brigitte Richter mit dem ihren in Westpreußen.

In den Kriegs- und Nachkriegsjahren tauchten in den Dörfern die gefürchteten Viehzähler auf, die in jedem Hof feststellen sollten, ob ein paar Tiere „schwarz“ gehalten wurden. Das war auch die Zeit der zahlreichen Flüchtlinge und Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten, die in den im Westen Deutschlands gelegenen Dörfern eine neue Heimat suchten und die Einwohnerschaft mitunter um das Doppelte vermehrten. Das ging nicht ohne Probleme. Gerhard Dücker und Klaus Pawka entwerfen ein anschauliches Bild von der Ankunft und den ersten schweren Jahren der Heimatlosen.

Selbst in den fünfziger und sechziger Jahren, die als Wirtschaftswunderzeit gelten, konnten noch immer viele Bauernfamilien nur mit Mühe und Plagen ihren Unterhalt schaffen. Schwere körperliche Arbeit war weiterhin selbstverständlich. Davon erzählt Hans Göggelmann aus seiner Kindheit im bayerischen Oberland.

Immer wieder aber finden sich Geschichten kurioser und lustiger Art wie die Anfangs erwähnten. Sie erinnern zugleich an lokale Bräuche und Besonderheiten. Und so entsteht ein Spektrum ländlichen Lebens durch sechs Jahrzehnte. Wie stets bei den Büchern des Zeitgut Verlages wird dabei obendrein auf spannende und unterhaltsame Weise ein Stück Zeitgeschichte am individuellen Beispiel vermittelt, das sich besser einprägt als jede noch so kluge, aber trockene historische Abhandlung.
Damit ist das Buch „Wir Kinder vom Lande“ für Alt und Jung gleichermaßen ein lesenswertes und willkommenes Geschenk überall in Deutschland.

Wir Kinder vom Lande
Unvergessene Dorfgeschichten. Band 6 / 1916-1976.
Zeitzeugen-Erinnerungen,
256 Seiten, mit vielen Abbildungen, Ortsregister.
Zeitgut Verlag, Berlin.
Klappenbroschur
ISBN: 978-3-86614-227-5, EURO 11,90

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