Zeit, das Richtige zu tun

Alles auf Anfang? Einen kompletten Neustart wagen? Es gibt Situationen im Berufsleben, da muss man sich entscheiden. Rono hat den Sprung gewagt. Als Bundesfreiwilliger engagiert er sich im ökologischen Bereich. Er hat eine Aufgabe gefunden, die ihn erfüllt und Sinn macht. Seine Geschichte soll Menschen aus allen Generationen und Lebenssituationen Mut machen, neue Wege zu gehen.

Eine Laus wird zum Kulturvermittler. Ein kleines weißes Insekt mit klebrigem Rücken. Die Kinder der Waldkita Wurzelzwerge entdecken das Tier auf einem ihrer Streifzüge durch den Wald. „Igitt, was ist das?“ Rono schaut in fragende Gesichter und ruft begeistert: „Cochenille! Das ist eine Schildlaus, die eigentlich in Brasilien wohnt.“ Rono kennt viele Tier- und Pflanzennamen. Er ist Biologielehrer. 2015 kam er aus Brasilien nach Deutschland. „Wegen Liebe“, lächelt er. „Meine Freundin wohnt hier, deshalb bin ich nach Berlin gezogen.“ In Brasilien ist es sehr warm, auch im Winter scheint dort immer die Sonne, erklärt er den kleinen Zuhörern. Seine Augen leuchten, als er vom Meer und den Palmen in seiner Heimat erzählt. Die Kinder können nicht genug bekommen von seinen Geschichten aus dem fernen Paradies. Seit über einem Jahr arbeitet er im Waldkindergarten am nördlichen Rand Berlins, ein rostfarbener Klinkerbau eingebettet in Feldern und einem Wäldchen. Rono ist einer von derzeit 122 Teilnehmenden des Ökologischen Bundesfreiwilligendienstes, die sich in öffentlichen Einrichtungen, in NGOs, Vereinen und Verbänden im Natur- und Umweltschutz engagieren. Was als Nachfolge des Zivildienstes begann, ist aus der Arbeit vieler Berliner Organisationen längst nicht mehr wegzudenken. Der ÖBFD ist ein Erfolgsmodell, das im Herbst letzten Jahres bereits sein fünfjähriges Jubiläum feierte. „Am 15.09.2011 fiel der Startschuss für unser neues Projekt. Die Resonanz ist seitdem überwältigend! Viele Freiwillige nutzen die Möglichkeit, eine begrenzte Zeit einmal etwas komplett anderes zu machen, andere wiederum wollen nach einer theoretischen Ausbildung in den praktischen Naturschutz hineinschnuppern“, resümiert Projektkoordinator Arne Mensching seine Arbeit bei der Stiftung Naturschutz Berlin. Als Träger koordiniert die Stiftung den ÖBFD in Berlin, berät und vermittelt Bewerber an verschiedene Einsatzstellen und begleitet die Freiwilligen organisatorisch und im Rahmen von Weiterbildungen. Was alle Teilnehmenden eint: Das Gefühl, sich für eine gute Sache einzusetzen. Auch Rono war glücklich, als das Telefon klingelte und er die Zusage für seinen Wunschort im Kindergarten bekam. Das Konzept der Waldpädagogik hat ihn überzeugt: „Es gibt keine Türen und Wände. Hier in der Natur sind die Kinder frei ihre Fantasie zu benutzen. Sie spielen und lernen in der Natur. Sie kennen die Baumnamen und wissen, welche Pflanzen essbar sind. Sie respektieren ihre Umwelt.“

Anders als das Freiwillige Ökologische  Jahr richtet sich der Öko-Bundesfreiwilligendienst in Berlin an Erwachsene ab dem 27. Lebensjahr.  Entsprechend bekommt Arne Mensching Bewerbungen von Menschen aus allen Generationen und den unterschiedlichsten Lebenssituationen. „Die Motivation, Freiwilliger zu werden, ist so unterschiedlich, wie die Einsatzstellen, die bei uns mitmachen“, freut sich Mensching. „In jeder Lebensphase kann ein ÖBFD interessant sein. Nach Ausbildung oder Studium kann man sich aus einer sinnvollen Freiwilligentätigkeit heraus ohne Druck bewerben, dabei Praxiserfahrungen sammeln und ein Netzwerk im Naturschutz aufbauen. Man kann den Freiwilligendienst aber auch zur beruflichen Umorientierung nutzen oder als Wiedereinstieg ins Berufsleben nach einer längeren Pause. Auch für Senioren, die im Ruhestand noch aktiv sein wollen, ist der ÖBFD gut geeignet.”
Klar ist, am Ende gewinnen alle: Nicht nur die Einsatzstelle und die Freiwilligen profitieren, sondern auch der Naturschutz in Berlin.

Die Bewerbung um einen Platz ist dabei denkbar einfach: Auf der Homepage der Stiftung (stiftung-naturschutz.de) steht ein Online-Formular zur Verfügung. Im nächsten Schritt wird zu einem Informationstermin eingeladen, bei dem zunächst der Rahmen des ÖBFD erläutert und dann gemeinsam eine individuell passende Stelle in Berlin gesucht wird. Auch Rono hat bei seinen Freunden schon kräftig die Werbetrommel für den Freiwilligendienst gerührt. „Viele wissen gar nicht, dass es diese Möglichkeit gibt.“ Ihm haben die letzten Monate geholfen anzukommen, in Deutschland, in der Sprache, in seinem neuen Leben. Im nächsten Jahr möchte er eine Ausbildung zum Erzieher im Waldkindergarten machen oder doch Pädagogik studieren. Dafür muss er noch etwas besser Deutsch lernen, sagt er. Irgendwann möchte Rono nach Brasilien zurück und einen eigenen Waldkindergarten eröffnen. „Dann nehme ich das, was ich hier gelernt habe, mit und mache die Kinder in meiner Heimat glücklich“, so sein Traum.

INFOKASTEN

» Der Ökologische Freiwilligendienst richtet sich in Berlin an alle ab 27 Jahren.
» Die Dauer kann zwischen 6 und 18 Monaten, der wöchentliche Einsatz ab 20,5 Std.
betragen. 
» Sie nehmen jeden Monat an einem Weiterbildungstag zu Natur- und
Umweltschutzthemen teil.
» Sie erhalten ein monatliches Taschengeld und Urlaub.
» Sie sind vollständig sozialversichert – in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen-, Pflege-
und Unfallversicherung.
» Sie erhalten nach Abschluss des ÖBFD ein qualifiziertes Zeugnis.

Infos über den Freiwilligendienst und die Einsatzstellen gibt es unter: www.öbfd-berlin.de

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