Berlin. Gemeinsam haben die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Verena Bentele, und die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Ulla Schmidt, gestern Abend im Berliner Kleisthaus zur Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse aufgerufen. „Nach jetzigem Stand dürfen mehr als 84.000 Menschen mit Behinderungen bei der Bundestagswahl im Herbst nicht wählen. Das ist ein Skandal!“, so Ulla Schmidt. Vor dem Hintergrund der Abschaffung von Wahlrechtsausschlüssen in einigen Bundesländern sieht Verena Bentele darin zudem eine absurde Situation. „Ich bin überzeugt, dass die Menschen mit der richtigen Unterstützung in der Lage sind zu entscheiden, wer ihre Interessen auf Landes- und Bundesebene vertritt“, so die Beauftragte der Bundesregierung.
Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Beide Bundesländer haben im letzten Sommer die Wahlrechtsausschlüsse auf Landesebene aufgehoben. Vertreter dieser Länder waren sich bei der Veranstaltung „Wahlrecht für Alle!“ mit den Veranstalterinnen einig: „Die noch bestehenden Wahlrechtsausschlüsse verstoßen gegen die UN-Behindertenrechtskonvention und müssen gestrichen werden.“
Zudem wurde in der Rede der Beauftragten deutlich, dass Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise unseren direkten Nachbarn Österreich und den Niederlanden, deutlich hinterher hinkt. Wie in weiteren zwölf EU-Ländern existieren dort keine pauschalen Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit Behinderungen.
Weil es auf Bundesebene dazu bisher keine gesetzgeberischen Aktivitäten gibt, unterstützt die Bundesvereinigung Lebenshilfe gemeinsam mit dem Verband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) eine Gruppe von Menschen mit Behinderungen, die eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat. Die Anwältin des Wahlprüfungsverfahrens betonte bei der gestrigen Veranstaltung, dass das Wahlrecht nicht von den Fähigkeiten einer Person abhängig gemacht werden dürfe. „Es ist vielmehr Aufgabe des Staates, die Menschen durch Informationen und Assistenz zu befähigen“, so Ulla Schmidt. „Bei der Lebenshilfe sehen wir, was Menschen mit der notwendigen Unterstützung alles erreichen können.“
Verena Bentele forderte alle Parteien noch einmal nachdrücklich dazu auf, Informationen zur Wahl und ihre Parteiprogramme in Gebärdensprache und in Leichter Sprache zur Verfügung zu stellen. „Nur so kann eine Teilhabe am politischen Leben im Sinne der UN-BRK gewährleistet werden“, betonte die Beauftragte der Bundesregierung.