Leserbrief von Simon Riehle

Sehr geehrte Frau Harms, obwohl Sie in Ihrer „Dorfzeitung“ aufführen, dass „die Redaktion nicht für den Inhalt der unterzeichneten Artikel verantwortlich ist“, so sind Sie es als Geschäftsführerin und einzige Redakteurin natürlich dennoch. So haben Sie in der aktuellen Ausgabe Ihres Blattes einem gewissen Ulrich Stauf in „Stauf’s Kolumne“ (was man übrigens im Deutschen ohne Apostroph schreibt) ein Podium für plattesten, ekelhaften Israelhass und Antisemitismus geboten. Lesen Sie als Verantwortliche die Artikel, die Sie erhalten, nicht gegen? Es ist die klassische Argumentation von Antisemiten, erst eine Aussage zu loben, um sie dann ins (antisemitische) Gegenteil zu verkehren. So geschehen mit der Aussage von Innenminister de Maizière, der auf die besondere Verbundenheit Deutschlands mit Israel verweist. Dasselbe gilt für Staufs weitere, widerliche Argumentation, dass gerade wir Deutschen die besondere Pflicht hätten, Israel auf seine (angeblichen und tatsächlichen) Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen? Warum gerade wir? Weil wir bis 1945 die Juden in die Gaskammern geschickt haben, dürfen wir heute umso heftiger ihre Nachfahren kritisieren? Auch der Ausdruck „hündische Ergebenheit gegenüber der israelischen Außenpolitik“ (nebenbei bemerkt: wieso AUßENpolitik?) ist ein klassisch-antisemitischer Topos: der Deutsche muss sich dem Juden wie ein Hund unterwerfen. Die antisemitische Krönung setzt Herr Stauf dem Ganzen auf, indem er wieder die Themen Holocaust und heutige Politik Israels vermischt und auf das angeblich „feige“ Zurückweichen von uns Deutschen gegenüber den (jüdischen) Israelis verweist. Wieder muss sich der gute Deutsche dem bösen Juden unterwerfen. Offensichtlich geht es Herrn Stauf in keiner Weise um eine sachliche, fundierte Auseinandersetzung mit dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, sondern er nutzt seine Kolumne in Ihrer Zeitung für seine antisemtische Polemik. Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum gerade wir Deutschen so vom Nahostkonflikt besessen sind? Könnte es vielleicht sein, dass er für manche Zeitgenossen ein willkommener Anlass ist, von der deutschen Schuld vor 73 Jahren abzulenken, indem man auf die heutigen (angeblichen) Verbrechen des jüdischen Staates verweist? Sehr geehrte Frau Harms, ich finde, der aktuelle Artikel von Herrn Stauf sollte Anlass für Sie sein, die Zusammenarbeit mit ihm zu beenden. Oder wollen Sie weiterhin einem Antisemiten ein Podium bieten? Ich biete Ihnen (als echter Experte bei diesen Themen) an, eine Gegendarstellung zu Herrn Stauf zu schreiben oder Sie drucken die inhaltlichen Teile meines Schreibens in Ihrer nächsten Ausgabe ab. Vielen Dank für Ihre Bemühungen! Mit freundlichen Grüßen
Simon Riehle Politikwissenschaftler und Judaist (M.A.) Berlin-Heiligensee

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