Leserbrief September 2015 „Wenn Jeder an sich selber denkt“

Wenn Jeder an sich selber denkt, ist an Alle gedacht

Rücksichtname kennt heute kaum noch Jemand. Der Egoismus steht im Vordergrund des Handelns der Menschen. Hauptsache mir geht es gut, und ich kann machen was mir gefällt, wenn es dem blöden Nachbarn nicht gefällt, kann er ja wegziehen. So scheinen Viele zu denken.

Da wird regelmässig am Sonntag die ganze Verwandschaft eingeladen, man sitzt natürlich auf der Terrasse und krakeelt und lacht gekünstelt in einer Lautstärke, die selbst Gärten weiter noch erschreckend ist. Im Garten liegen, den Sonntag nach einer arbeitsreichen Woche genießen? Fehlanzeige!

Morgens um 5.30 Uhr am Samstag, man will ja in den Urlaub fahren, und die Nachbarn sollen ja auch Etwas davon haben, wird lautstark vor den geöffneten Fenstern geredet, mit Autotüren mehrfach geknallt ehe man dann endlich los fährt. Im Sommer bei geöffneten Fenstern schlafen? Nicht möglich!

Ebenso sieht es in der Woche aus, wenn man, aufgrund von Schichtdienst, etwas später zur Arbeit muß und noch ein Stündchen schlafen könnte. Da wird von Draussen, auf dem Hof nach dem Kind im Haus gerufen. Das scheint taub zu sein, da die Mutter eh ein lautes Organ hat, sobald sie nach dem Filius ruft. Streitereien werden natürlich vor dem Haus ausgetauscht, ein wirklich guter Schultagbeginn für ein Kind!

Samstag … manchmal auch Sonntag, oft spät abends, wenn Andere schon schlafen, da mutiert der Fußballfan vor dem TV zum Hooligan. Sky macht es möglich. Man schreit und brüllt lautstark bei jedem Gegenangriff oder jedem eigenen Tor. Vor Schreck fällt man fast aus dem Bett.

Mehrere Andere hämmern, sägen und bohren fröhlich schon seit Wochen ( eigentlich seit Jahren) an ihren Objekten der Freude bis spät am Samstagabend.

Es werden im Garten montröse Bauten errichtet, damit auch jeder Nachbar sehen kann, was einem das eigene Kind wert ist. Beim Anblick und der Nutzung dieses Objektes allerdings stellt sich die Frage, ob man nicht eher neugierig ist, was der Nachbar so im Garten macht. Sich ungestört im eigenen Garten bewegen, sich gar in leichter Bekleidung zu sonnen? Nur unter Beobachtung!

Der Grundschüler kommt aus der Schule nach Hause, hält sich vor der Haustür eine täuschend echt aussehende, Spielzeugpistole zuerst an den Kopf, dann steckt er sich den Lauf in den Mund. Wenn ich nicht schon Schlimmeres hier gewohnt wäre und nicht schon vorher den Garten voller Spielzeugpistolenkügelchen gehabt hätte, ich hätte die Polizei gerufen.

Seit Wochen wird jeden Tag morgens ein schweres Gerät angeworfen, um eine ehemalige Schulfiliale niederzureißen. Die Bodenfliesen im Bad bekommen Risse, die Gläser im Schrank klirren, die Erde vibriert und man hat irgendwann nur noch Kopfweh.

Jeden Abend wird nach 22 Uhr, wenn man endlich Fenster und Türen nach der Sommerhitze öffnen kann, Feuer entzündet. Der Rauch, der Andere belästigt wird einfach ignoriert.

Sobald es im Sommer mal einen Tag kühler ist, wird sofort der Kamin angeworfen. Stinkende Rauchschwaden werden von den tiefhängenden Regenwolken regelrecht in die geöffneten Fenster gedrückt, und so kann man auch an solchen Tagen nicht lüften. Ach was waren die Meisten doch froh, als es endlich keine Kohleöfen mehr gab! Back to the roots, was schert mich der Lungenkrebs der Nachbarn!

Ich könnte diese Liste ellenlang fortführen, nur würde es mir nichts bringen. Wenn man etwas dagegen sagt und nur um ein klein wenig Rücksicht bittet, ist man der Buhmann, der Anderen keinen Spaß gönnt.

Ich habe mich zurückgezogen von dieser egoistischen Gesellschaft. Heute weiß ich, daß jeder hier seine Leiche im Keller hat. Daß die Meisten, die nach Aussen hin als mustergültig erscheinen wollen, noch schräger drauf sind, als sie es selber wahrhaben wollen. Mir machen solche Menschen Angst!

Mit freundlichen Grüßen K.K.

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