Wenn Opa und Oma erzählen, was sie nach der Schule oder in den Ferien gemacht haben, dann staunen die heutigen Enkel nicht selten. Da gab es keinen Fernseher, der einem die Langeweile vertreiben konnte, keinen Computer und natürlich auch keine Videospiele. Stattdessen ging man raus, um mit den Nachbarskindern Kästchenhüpfen auf der Straße zu spielen, denn Autos fuhren damals noch kaum. Oder man erkundete mutig als Indianer verkleidet die Umgebung, baute sich aus Stöckchen und Moos im Wald einen Unterschlupf. Bei schlechtem Wetter wurde der Dachboden zum Abenteuerspielplatz. Die wenigen Spielsachen, die die meisten Kinder damals besaßen, wurden besonders in Ehren gehalten. Die Mädchen hätschelten ihre Puppen und verteidigten sie vor den wilden Spielen der Jungs, die ihre Zinnsoldaten gegeneinander kämpfen ließen. Und wer das gewünschte Spielzeug nicht besaß, der bastellte es sich selbst. So wie bei Helga Lemmrich. Unter dem Titel „Unsere Fantasie kannte keine Grenzen“ berichtet sie von Spielen, die sie und ihre Freunde liebten. Gleich hinter ihrem Haus gab es eine Druckerei, deren Mitarbeiter den Kindern verdruckte Blöcke oder ve
rschnittene Postkarten überließen, aus denen sie sich eigene Puppenstuben oder die Figuren für ein Kasperltheater bastelten. Darin gaben sie dann Vorstellungen für die jüngeren Nachbarskinder. Danach hatten sie ihre liebe Not, die Kleinen wieder loszuwerden, hätte es für sie doch immer so weiter gehen können.
Von einem wirklich ereignisreichen ersten Ferientag berichtet Eckhard Siegert. Mit den Freunden kletterten sie auf Bäume und erkundeten dunkle Bereiche des Waldes. Beim Spielen im Tümpel rutschte einer der Jungen aus und wurde nass bis auf die Knochen. Als die Kinder sich nach ihrem Ausflug am Obstbaum einer Bäuerin „bedienten“, wurde Eckhard Siegert von der Bäuerin erwischt.
Die verpasste ihm einen Satz heiße Ohren, doch was noch schlimmer war, sie nahm ihm seine kostbare Beute auch gleich wieder ab.
Erni Flohr erinnert sich an eine traurige Geschichte aus ihrer Kindheit in den 30er Jahren. Von ihrer Patentante bekam sie einen bunten Kreisel geschenkt, einen „Tanzknopf“. Als ihr einmal die Schnur des geliebten Spielgerätes riss, besorgte ihr ein jüdischer Junge aus der Nachbarschaft Ersatz im Laden seines Vaters. Die beiden wurden richtig gute Freunde und verbrachten viel Zeit miteinander und jedes Mal, wenn die Schnur wieder kaputt ging, gab es Ersatz. Eines Tages klingelte der Junge an Erni Flohrs Tür, und übergab der Mutter eine Tüte mit Schnüren. Dann musste der Junge mit seiner Familie auf einen Lastwagen steigen. Erni Flohr sah ihn nie wieder.
„Als wir Räuber und Gendarm spielten“ umfaßt 32 Erinnerungen von Kindern an deren Spiele. Die mal heiteren, mal traurigen, immer liebevoll und detailreich erzählten Geschichten haben sich im Zeitraum von 1930 bis 1968 zugetragen. Sie vermitteln anschaulich, wie es damals war, ein Kind zu sein. Ein Lesevergnügen für die Jüngeren, die die Zeit auf diese Weise kennenlernen können und für die älteren Leser, die sich an das ein oder andere Spiel selbst erinnern werden.
Bücher von Zeitgut sind überall im Buchhandel erhältlich.
Als wir Räuber und Gendarm spielten
Erinnerungen von Kindern an ihre Spiele 1930-1968.
Band 29 | Reihe Zeitgut
256 Seiten, mit vielen Abbildungen, Ortsregister.
Zeitgut Verlag, Berlin.
Bestellen unter: Tel. 030 70 20 93 0
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Broschur
ISBN: 3-86614-226-8, EURO 10,90