Arbeitgeber haften vielfach gegenüber Mitarbeitern bei betrieblicher Altersversorgung *

– Welche Hinweis-, Aufklärungs- und Beratungspflichten den Arbeitgebern auferlegt sind ? –

Das Landesarbeitsgericht (LAG Hamm, Urteil vom 06.12.2017, Az. 4 Sa 852/17) entschied, daß der Arbeitgeber (AG) auf Schadensersatz haftet, sofern die Beratung bei Entgeltumwandlung in der betrieblichen Altersversorgungen (bAV) fehlerhaft war. Und zwar auch dann wenn die Beratung durch ein Kreditinstitut erfolgt war. Dies gilt analog für Versicherungsvermittler aller Art, denn diese sind ebenfalls im Pflichtenkreis des Arbeitgebers tätig, mithin dessen Erfüllungsgehilfen.

Der Mitarbeiter bemerkte erst nach Auszahlung der bAV, daß auf diese noch Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung(GKV) zu bezahlen waren.

Paukenschlag auf einer bAV-Fachtagung des Handelsblattes

Der damalige Vorsitzende des Ruhegeldsenates beim Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte bereits 2005 durch einen Fachvortrag und einen Fachaufsatz zum Thema „Hinweis-, Aufklärungs- und Beratungspflichten im Betriebsrentenrecht“ für Wirbel gesorgt. Das LAG Hamm, aber noch nicht jedes Arbeitsgericht, folgt inzwischen dieser Linie der Arbeitgeberhaftung.

Das LAG München (Urteil vom 15.03.2007, Az. 4 Sa 1152/07) verurteilte einen Arbeitgeber zur Lohnnachzahlung, weil die Entgeltumwandlung mit gezillmerten Tarifen (also solchen, welche die Abschlußkosten in den ersten bis zu weniger als 10 Jahren verteilt erheben) nicht zur gesetzlich verlangten Wertgleichheit mit dem umgewandelten Entgelt führt.

Potentiell bis zu mehr als 20 Millionen bAV-Verträge betroffen

Selbstverständlich ist nicht nur über die GKV-Beitragspflicht zu informieren (sowie die Beiträge zur Pflegeversicherung) sondern auch darüber, daß der Arbeitnehmer (AN) diese dann als Rentner ganz allein bezahlt, also nicht nur wie bis 2003 geregelt den „halben“ Beitrag. Fachanwälte und Interessenvereine haben massenhaft gegen den „vollen GKV-Beitrag auf Betriebsrenten seit 2004“ u.a. geklagt – bis zum Verfassungsgericht: Stets erfolglos weil der Falsche verklagt wurde !

Die Arbeitgeberhaftung erscheint erfolgversprechender. Noch krasser ist das wirtschaftliche Ergebnis, wenn wegen Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze ohnehin (fast oder) gar kein Beitrag zur GKV angefallen wäre, wenn man auf die Entgeltumwandlung richtig informiert ganz verzichtet hätte.

Wie die „Betreuung“ der bAV für Agenten und Makler zum Verhängnis wird?

Gesichert ist, daß kein Arbeitgeber seine (neuen) Mitarbeiter über die bAV ungefragt aufzuklären hat, § 1a BetrAVG. Erst wenn die Entscheidung des Mitarbeiters für insbesondere eine Entgeltumwandlung gefallen ist, beginnen begrenzte Aufklärungs- und Beratungspflichten. Wer als Arbeitgeber dies einem Versicherungsvermittler oder Bankberater überläßt ist besser beraten, wenn er den Beratungsinhalt prüfen läßt und auch zur Personalakte nimmt.

Die Betreuung durch Vermittler und Berater, aber auch Rückfragen von Arbeitnehmern bei solchen Betreuern, bedeuten eine weiterlaufende Haftung, also ein Verhindern des Ablaufes der Verjährung: Denn es kann sicher auch bei vorher abgeschlossenen Verträgen die korrekte Beratung nachgeholt werden, damit die bAV-Verträge ggf. noch beitragsfrei gestellt werden könnten.

Vermittlerhaftung und Beraterhaftung verjähren 10 Jahre nach dem jeweiligen Pflichtverstoß

Der Bundesgerichtshof geht davon aus, daß jede Beratungspflichtverletzung separat zu betrachten ist, auch bei der Verjährung. Beim Unterlassen zählt der letztmögliche Zeitpunkt korrekter Information bzw. Beratung. Hier würde dann auch ein Vermittler dem AG haften, für Falschberatung, entweder bei Erstberatung, oder bei versprochener Betreuung auch später – etwa bei einer auch bereits geplanten Gesetzesänderung (im Fall des LAG Hamm: Volle GKV-Beitragspflicht seit 01.01.2004).

Indes: Er könnte den AG ja korrekt beraten haben, aber dann nur in den Gesprächen mit den Arbeitnehmern (AN) dann falsch informiert haben, oder später im Rahmen der Betreuung, ohne dass es Gespräche mit den AN dann noch gab. Unter Umständen hat der Vermittler bzw. Berater dem AG sogar eine Dokumentation gegeben, die korrekt war – dem AN gegenüber aber nichts dokumentiert, weil dieser ja kein Versicherungsnehmer (VN) wird. Dies wäre nicht gesetzwidrig, so dass die Frage ist, wie es dann mit der Beweislast aussieht. Er ist ggf. gegenüber dem AN ja nur Gehilfe des AG bei der Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten. Wie man sich als AG schützen kann, erfährt der Arbeitgeber vielleicht erst nach einem verlorenen Prozeß vor dem Arbeitsgericht ?

Weitergehende Informations-, Aufklärungs- und Beratungspflichten des Arbeitgebers

Die Vermittlerhaftung verjährt 10 Jahre nach der Falschberatung (entsprechend bei Betreuung). Diese Frist wird oft abgelaufen sein, wenn der Betriebsrentner seine bAV-Auszahlung erhält. Daher könnte Feststellungsklage durch den Arbeitgeber geboten sein.

Nicht zu vergessen wären die Verminderungen der Ansprüche auf gesetzliche Renten, sowie Kranken- und Arbeitslosengeld, wohl auch Unfallrenten – durch Entgeltumwandlung. Bei der Wirtschaftlichkeit stellt sich immer wieder auch die Frage, ob gesetzliche Rente nicht rentabler ist?

Verteidigungsoptionen für Arbeitgeber, Berater und Vermittler ?

Vermittler wie auch der AG könnten sich gegenüber dem AN wehren, indem sie nachweisen, dass gar kein Schaden entstanden ist, und daher kein Feststellungsinteresse besteht.

Dass mehr als 10 Jahre nach der Gesetzesänderung und breiter Information in den Medien darüber immer noch die meisten AN nichts davon wissen, ist eine Tatsache. Sie könnten bei nachträglicher Information die Verträge beitragsfrei stellen und sollten darauf hingewiesen werden. Wenn sie dann dennoch weiter zahlen, haftet dafür nicht mehr der AG. Zudem könnte dies als Nachweis dienen, dass die Mitarbeiter bei korrekter früherer Information ebenfalls die Entgeltumwandlung vorgenommen bzw. weiter gezahlt hätten, so dass ein eventueller Schaden nicht kausal auf die Falschberatung zurückzuführen ist. Frei nach dem Motto: Er wollte zur Risikostreuung auch Geld verbrennen.

Dies wäre dann ein Ansatz, strategisch die eigene Haftung zu reduzieren.

Der Verjährung vorbeugend bietet sich die Feststellungsklage an, von Arbeitnehmern gegenüber (oft ehemaligen) Arbeitgebern, sowie von Arbeitgebern gegenüber Vermittlern, Beratern, Banken, sowie Versicherern (VR).

Erster Schritt: Vermittler, Berater, Banken und Versicherer zum Anerkenntnis auffordern

Vorher aber sollten Arbeitgeber ihre bAV-Bank bzw. ihren bAV-VR bzw. Vermittler auffordern, die eigene Haftung bei Klagen von AN anzuerkennen, vielleicht unter der Voraussetzung, dass sie bei deren Abwehr mitwirken. So hatten sich mit potentieller Haftung für insgesamt mehrere Milliarden Euro branchenweit auch die VR wegen der Haftung des AG bei fehlender Wertgleichheit infolge Zillmerung gegenüber AG verpflichtet, weil AG dann für die Auffüllung auf einen wertgleichen Betrag der Leistungsansprüche zum umgewandelten Entgelt haften.

Fristgebundener Handlungsbedarf für alle Seiten

Ein vielfältiger gegenläufiger dringender „fristgebundener“ Handlungsbedarf liegt nahe, für AN gegenüber AG, Vermittler gegen AG und AG gegen alle, und zwar möglichst vor dem anderen und vor „Fristablauf“. Auf die ursprünglichen Berater darf man nicht zählen, weil diese häufig mit Verjährung ihrer Haftung rechnen, durch schlichtes Nichtstun, bis dereinst der AN bei Rentenbeginn oder Fälligkeit der Direktversicherung sich wegen Geringleistung beim AG meldet.

Widerruf von bAV-Verträgen

Wenn Arbeitgeber oder Arbeitnehmer einmal vergleichen, welche Gelder einbezahlt wurden, und was davon aktuell nach Abzug von Abschlußkosten sowie laufenden Verwaltungskosten noch übrig ist (z.B. als Rückkaufswert oder Ablaufleistung), dann stellen Sie oft größere Abweichung von den bei Vermittlung vorgelegten „Musterberechnungen zur Illustration“ fest – regelmäßig also Vermögensverluste. Davon gehen noch Steuerabzüge und Kranken-/Pflegeversicherungsbeiträge ab, was das unerwartet geringe Ergebnis nochmal um die Hälfte vermindern kann.

Auch viele bAV-Verträge in der Lebensversicherung lassen sich indes oft wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung widerrufen und rückabwickeln, eine Ewigkeit lang. Zahlreiche Arbeitnehmer sind selbst zum Widerruf berechtigt, wenn sie selbst Versicherungsnehmer geworden sind.

Auch für Arbeitgeber – vom Einzelunternehmen bis hin zur GmbH&Co.KG – bietet sich für Versicherungsverträge ab 1995 der Widerruf an – mit der Aussicht nach sachverständiger versicherungsmathematischer Begutachtung bis zu mehr als das Doppelte des Rückkaufswertes zu bekommen. Eine Option für einen wirtschaftlichen Exit als Arbeitgeber aus der bAV-Haftung.

So wird aus einer Niederlage die Chance auf einen noch höheren Gewinn für Arbeitgeber, der auch für den AN noch rechtzeitig ein größeres Risiko beseitigt.

Denn sollte der Arbeitgeber insolvent werden, wird der Insolvenzverwalter Direktversicherungen und Entgeltumwandlungen gegenüber dem VR möglichst widerrufen, was den Lebensversicherungsvertrag vernichtet und deren Wert der Insolvenzmasse zuführt. Damit gehen dann auch alle Begünstigungen und Verpfändungen an AN ins Leere – AN verlieren dadurch ihre betriebliche Altersversorgung – weil ganz ohne Ansprüche an den Pensionssicherungsverein – komplett oder können eventuelle Forderungen aus der bAV-Zusage zur Insolvenzquote mit meist einstelligen Prozentsätzen anmelden.   

*von Dr. Johannes Fiala, PhD, RA, RB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de)

und

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).

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