Elisabethaue (2)

Foto: Thiede, 1962

Alltag im Rieselfeldbetrieb

Es war wie eine späte Betriebsversammlung des VEG Blankenfelde, als sich am 27. März 2017 sechs ehemalige Gutsmitarbeiter/innen sowie Bewohner des Ortes im Cafe Traktorista auf dem  Gutshof zu einem Austausch von Erinnerungen trafen.  Die 70 bis nahezu 90 jährigen Gesprächspartner  sind im Ganzen mit ihrem Leben zufrieden. Die ältesten Erinnerungen gehen bis in die 50er Jahre zurück. Die Kinderjahre wurden auf dem Betriebshof oder bei den Großeltern verbracht. Alle sind  in Bescheidenheit aufgewachsen, haben immer hart gearbeitet und kein luxuriöses Leben kennengelernt. Die Arbeit bei jedem Wetter im Abwassergeruch, von Fliegen, Mücken und Bremsen belästigt,  gehörte zum Alltag der noch heute geistig regen und über ihre Vergangenheit nicht klagenden Menschen. Die Feldbaubrigade mit zehn Frauen war vorwiegend im Gemüse- und Obstbau eingesetzt. Der Weg zum Feld musste zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Eine von der Betriebsleitung Beauftragte kontrollierte die Einhaltung der Arbeitszeit sowie die Menge und Qualität des Geleisteten. Bei einsetzendem Regen wurde „eben weitergearbeitet“. Einen Unterstand gab es auf dem Feld nicht. An  Kreuzschmerzen oder das von anderen oft zitierte „Reißen“ konnten sich die heute über 70 jährigen, rüstig auftretenden Rentner nicht erinnern. Nach der Arbeit auf dem Gutshof wartete am Abend bei vielen noch eine kleine Privatwirtschaft. Der Hausgarten hatte zwar meist ein kleines Blumenbeet, war aber vor allem ein Gemüse- und Kartoffelgarten zur Eigenversorgung und teilweise zum Verkauf. Im Winter wurde auf dem Gutshof Gemüse (u.a. Möhren, Zwiebeln, Rosenkohl, Grünkohl) geputzt und für den Markt vorbereitet.
Die Milchviehhaltung mit 450 Milchkühen bot ganzjährig Arbeitsmöglichkeiten. Von Milchleistungen  zwischen 4000 und bei Spitzentieren bis zu 6000 Litern pro Kuh und Jahr wird berichtet.  Hervorgehoben wurde, dass schon in diesen Jahren gleicher Lohn für gleiche Arbeit an Männer und Frauen gezahlt wurde, wobei die Männer für körperlich schwere  oder für technisch anspruchsvollere Arbeiten besser entlohnt wurden.
Der Pankower  Ortsteil Blankenfelde  mit heute 2110 Einwohnern  bleibt  für die unmittelbaren Nachkriegsjahre in Erinnerung an vorübergehend kasernierte Sowjetsoldaten, an Flüchtlingsströme aus den Ostgebieten  und an hungernde Städter, die nach Lebensmitteln suchten. Es folgte eine Zeit des Aufschwunges mit vielen kleinen Geschäften im Ort, wie Bäcker, Fleischer,  Lebensmittelladen, mit einer Arztstation und sogar einem Kosmetiksalon. Die älteren Bewohner erinnern sich an diese Zeit, wenn sie heute  mit 80 Jahren mit dem Bus zum Einkaufen oder zur Arztstation nach Pankow fahren.  Sie bevorzugen ein bescheideneres Angebot, aber bequemere Wege. Bei aller Zufriedenheit über das bisherige Leben ist das ein verständlicher Grund zur Kritik. Junge Menschen fahren mit dem Auto in die Stadt. Das Kulturangebot ist natürlich in Berlin größer, aber mit Stolz berichten die Gesprächspartner von Betriebsfeiern und dem jährlichen Sommer- und Erntefest im Saal des Gesellschaftshauses bzw. des Lehrlingswohnheimes. Das Volksgut hatte mehrere preiswerte Ferienplätze in FDGB-Heimen und in eigenen Objekten, die gern genutzt wurden, sofern es die häuslichen Pflichten erlaubten. Heute gibt es lukrativere Ferien- und Fernreisen, die allerdings von vielen älteren Menschen wenig genutzt werden können. Über das zarte und schmackhafte Rieselfeldgemüse wurde geschwärmt, doch dazu später.
Autoren: Prof. R. Metz und Maritta Schödel

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