Website-Icon Die Dorfzeitung

Die Elisabethaue (1)

Die Elisabethaue
eine ehemalige Rieselfeldfläche im Norden von Berlin

Der Autor Professor Reinhart Metz beschäftigt sich seit über 50 Jahren erst als Student, später als Praktikant und Hochschullehrer an der Humboldt-Universität Berlin mit der Nutzung, der Schadstoffbelastung und der Gefahrenabwehr auf den Berliner Rieselfeldflächen. Der vorliegende Beitrag ist eine Weiterführung von neun Artikeln in dieser Zeitung (dorfzeitung-online.com/category/rieselfelder/).

Vorgeschichte
Mit der Einstellung der landwirtschaftlichen Abwasserverwertung auf den Rieselfeldern im Berliner Umland wuchs das Interesse von öffentlichen und privaten Investoren an der Nutzung der etwa 12000 Hektar städtischer Freilandflächen. Zur Geschichte ein Beispiel:
Das Rittergut Blankenfelde und damit auch die Felder der Elisabethaue wurden im Jahre 1882 von der Stadt Berlin gekauft, um grassierenden Bodenspekulationen zuvorzukommen und um Flächen für die Abwasserentsorgung bereitzuhalten. Die erworbenen Flächen sollten auch Arbeitsplätze für die Produktion von Futterpflanzen und Gemüse sowie die Landschaftspflege schaffen. Für den geplanten Grüngürtel um die Stadt stellten die Felder in Blankenfelde einen wichtigen Baustein im Norden dar. An Naherholung,  Freizeit- und Sportanlagen war in dieser Zeit nicht zu denken, die Menschen hatten andere Probleme. Es stellte sich auch später heraus, dass die Geruchs- und Fliegenbelästigungen im Rieselfeldgebiet keine Entspannung zugelasssen hätten. Es wird berichtet, dass  im zweiten Weltkrieg Rieselfeldgelände im Berliner Norden für die militärische Ausbildung  genutzt wurde.
Von 1903 bis 1905 wurde der jetzige Gutshof Blankenfelde als Sitz des Stadtgutes für die Rieselwirtschaft aufgebaut. Mischwasser aus den Haushalten von Pankow, der schnell wachsenden Industrie und auch Straßenabwässer wurden durch Kanäle und Gräben zu einer Klärstation in der Wilhem- Kuhr- Straße geleitet und über Kalk und Ton vorgeklärt. Die klammen Kassen der Stadt und Widerstand in der Bevölkerung verzögerten den Fortgang der weiteren Erschließung von Rieselfeldflächen Der steigende Abwasseranfall zwang die Stadt, zwischenzeitlich offene Flächen für eine Versickerung zu nutzen. Durch ein 14 km langes Druckrohr war geplant, das Abwasser westlich über Wilhelmsruh, Rosenthal, Schildow Richtung Schönerlinde zu pumpen.  Die Dorfbewohner befürchteten, dass in den „Peströhren“ die Krankheitserreger (Cholera, Typhus, Pest) aus der Stadt in das Umland getragen würden, andere vermuteten eine Kostensteigerung durch die geordnete Entsorgung. Widerstände gab es von den Fuhrunternehmen, die an der Abfuhr der Fäkalien verdienten. Auch die kleinen Grundstücksbesitzer erkannten, dass Ihnen ein wichtiger Düngestoff entzogen wird. Es gab keine demokratische Abstimmung, zumal der steigende  Abwasseranfall und eine hohe Sterberate vor allem  bei Kleinkindern und älteren Menschen eine Änderung der hygienischen Situation erforderten.

Anlage von Rieselfeldern
Mit Erfahrungen von einem 5 Hektar großen Versuchsfeld auf dem Tempelhofer Feld und von den seit 1875 ersten betriebenen Rieselfeldern im Süden der Stadt nach Plänen von Stadtbaurat J. Hobrecht konnte 1904 auch in Blankenfelde die Umgestaltung von Ackerflächen in je ¼ Hektar große Rieseltafeln beginnen. Das Einebenen der Fläche, die Anlage von Zuführungsgräben, Dränagen und Vorflutern dauerte mehrere Jahre bis zur vollständigen Fertigstellung. Strafgefangene und Hilfskräfte mussten für die körperlich schweren Arbeiten mit nur einfachen Handwerkzeugen herangezogen  werden.
Das Stadtgut Blankenfelde bewirtschaftete 1928 eine Fläche von 1918 Hektar(ha) , davon 1267 ha erschlossene Rieselfelder. Der Anteil an Wirtschaftswegen, Gräben und Dämmen wird mit ca. 15% angegeben. 466 ha Naturland, 85 ha Wald, Hofraum und Lagerflächen sowie 2 ha Wasserfläche wurden vom Betrieb bewirtschaftet. Die Felder der Elisabethaue gehörten zum erschlossenen Rieselland und werden mit 68,3 ha (über 250 Rieseltafeln) angegeben. Über Probleme bei der landwirtschaftlichen Nutzung und über Schwierigkeiten mit der Bewirtschaftung der etwa 5000 kleinen Tafeln in einem Großbetrieb kann später berichtet werden. Der Aufwand an Handarbeitskräften überstieg auf Rieselfeldflächen den des Naturlandes um ein Vielfaches.
Erst 1908 wurden Klär- und Schlammbecken auf den Flächen angelegt., um die Verschlammung der Gräben zu reduzieren. Der Klärschlamm war vor allem in den Kriegs- und Nachkriegszeiten beider Weltkriege ein wertvoller und begehrter nährstoffhaltiger Düngestoff und ein Träger der organischen Substanz für die Bodenfruchtbarkeit. Andere Begleitstoffe waren in dieser Zeit noch nicht bekannt.
Für die Abwasserverteilung nach einem festgelegten Plan waren Rieselwärter tätig, die als Mittler zwischen Wasser- und Landwirtschaft fungierten. Sie hatten außerdem die Gräben sauber zu halten, die Schieber zu den Tafeln zu bedienen und die Grabenränder zu pflegen. Ein hohes Standrohr am Druckrohrende zeigte ihnen mit einem auch nachts durch eine Öllampe sichtbaren Schwimmer von Weitem den Wasserdruck an. Die Wärter mussten im Bedarfsfall die Ablassschieber öffnen.
Auf den sickerfähigen Sandböden war das Rieselwasser eine wertvolle Basis für die Wasser- und Nährstoffversorgung der Pflanzen. Auch der Reinigungseffekt war auf den anfangs noch unbelasteten Böden so befriedigend, dass das Sickerwasser über Vorfluter zum Nordgraben und über die Spree zur Havel und Elbe bis zur Nordsee geleitet werden konnte. Das änderte sich. Darüber später.
Eine Anekdote besagt, dass der medizinisch-sachkundige Förderer und Mitbegründer der Abwasserverrieselung, der Stadtverordnete und Pathologe Rudolf Virchow, am Drainauslauf das gefilterte Abwasser  öffentlich getrunken hätte.  Tatsache ist, dass er daran nicht gestorben ist.
Weitere Informationen werden auch in einer anschaulich gestalteten Ausstellung im Rieselfeldmuseum auf dem Gutshof Blankenfelde vermittelt.

Wird fortgesetzt.

Die mobile Version verlassen